TalentAward Ruhr: Preisträger:innen 2017
Ali Şirin, Planerladen e.V.
Für Politik und Kultur begeistern – Gesellschaft gestalten
Ali Şirin, 39, möchte Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren vermitteln, dass sich gesellschaftliches Engagement lohnt. Und zwar unmittelbar vor ihrer Haustür, im Dortmunder Stadtteil Nordstadt, wo die Arbeitslosigkeit besonders verbreitet ist. Mit dem Jugendforum Nordstadt geben der Sozialwissenschaftler und sein Team, das auch in der Nordstadt lebt, Jugendlichen eine Plattform, ihre Wünsche und Interessen zu artikulieren und mit lokalen Entscheidungsträger:innen sowie Persönlichkeiten aus Politik, Literatur und Sport ins Gespräch zu kommen. „Dabei erfahren sie, dass man sein Umfeld verändern kann, wenn man sich engagiert. Aber sie lernen auch, andere Sichtweisen zu akzeptieren“, erläutert Şirin, der selbst seit vielen Jahren in der Nordstadt wohnt. Die Jugendlichen organisieren Kultur- und Sportangebote sowie Diskussionsrunden. „Das formt die Persönlichkeit und führt nicht selten dazu, dass mancher verborgene Talente bei sich entdeckt“, sagt Şirin. So sind er und seine Kolleg:innen häufig auch als Berufsberater:innen und Helfer:innen bei der Ausbildungsplatzsuche gefragt.
Dr. Monika Goldmann, Dortmunder Forum Frau und Wirtschaft e.V.
Qualifikation wertschätzen – geflüchtete Frauen stärken
Geflüchtete Frauen wurden bislang nicht als qualifizierte Fachkräfte wahrgenommen – das fiel Dr. Monika Goldmann, 71, im Jahr 2016 auf. Sie ist Gründerin und langjährige Vorstandsvorsitzende des Vereins Dortmunder Forum Frau und Wirtschaft (dffw). 2016 gründete sie das Projekt „Beruflich durchstarten in Deutschland – betriebliches Mentoring für qualifizierte geflüchtete Frauen“. Angesprochen werden damit Flüchtlingsfrauen mit Abitur, Berufsausbildung, Studium oder Berufserfahrung, rekrutiert in Flüchtlingsunterkünften oder über das lokale Jobcenter. Das Projekt betreut aktuell rund 30 Syrerinnen, Armenierinnen, Pakistanerinnen und Irakerinnen in Deutschkursen und durch Praktika-Vermittlung an Firmen. Das Projekt läuft erst einmal bis Mitte/Ende 2018. Ziel ist es, das Thema stärker in das Bewusstsein von Anlauf- und Beratungsstellen und anderen Institutionen zu bringen. Fördermittel kommen vom NRW-Landesministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter. Projektpartner sind Dortmunder Institutionen.
Lukas Wessel, Student an der Privaten Universität Witten/Herdecke
Persönlichkeit stärken – Horizonte erweitern
Eine Schule, die Acht-, Neunt- und Zehntklässler:innen zu einer mehrtägigen Wanderung aufruft, kann üblicherweise nicht mit viel Zuspruch rechnen. Vor allem dann nicht, wenn es auch noch heißt: Handys und andere elektronische Geräte bleiben zu Hause! Bei der Werner-von-Siemens-Hauptschule in Bochum ist das anders. Das liegt an Lukas Wessel, 23, und seinem „Englandprojekt“. Gemeinsam mit sieben anderen Studierenden der Privaten Hochschule Witten/Herdecke hat er ab Januar 2017 eine zehntägige Wanderung durch Südengland vorbereitet: Einmal in der Woche trafen sich die teilnehmenden Jugendlichen, um zu spielen, Sport zu treiben, Zelte aufbauen zu üben und ein wenig Englisch zu lernen. Die Tour mit Tagesetappen von mehr als 30 Kilometern hat Zusammengehörigkeit, Ausdauer und Beharrlichkeit der Schüler:innen gestärkt – allesamt Erfahrungen, die ihnen im Schulalltag und späteren Berufsleben zugutekommen. Lukas Wessel hat nicht nur die wöchentlichen AG‘s und die Wandertour selbst organisiert, sondern auch Spendengelder gesammelt. So musste kein Jugendlicher aus finanziellen Gründen auf eine Teilnahme verzichten.
Turgay Tahtabaş, Zukunft Bildungswerk gUG
Aus Überzeugung Bildungswege verändern
Turgay Tahtabaş, 51, hat in der eigenen Familie erlebt, was möglich ist, wenn Kinder trotz schwieriger Startbedingungen intensiv gefördert werden. Der Türke saß Anfang der neunziger Jahre mit seiner Frau und drei kleinen Kindern im neuen Zuhause in Essen – mit geringen Sprachkenntnissen und schmalem Einkommen als Mitarbeiter der Müllabfuhr. Die Eltern wollten das Beste für die zwei Töchter und den Sohn, wussten aber keinen Weg im Dschungel der Bildungsangebote. „Zum Glück trafen wir auf viele hilfsbereite, kompetente Menschen, die uns Fördermöglichkeiten aufgezeigt haben“, sagt Tahtabaş. Die Kinder schafften das Abitur und stehen heute kurz vor Abschluss ihres Studiums.
Der Familienvater möchte, dass möglichst viele Kinder so intensiv gefördert werden wie sein Nachwuchs, und hat deshalb 2015 in Essen den Verein Zukunft Bildungswerk gegründet. Das Ziel: Kindern mit Migrationshintergrund zu unterstützen, ihre Talente zu entwickeln. Der Weg: frühe Lern- und Sprachförderung in Kindertagesstätten und Grundschulen. Das leisten gut 100 Lehramt-Studierende – auf Honorarbasis. Tahtabaş hat sich bei der Müllabfuhr für zwei Jahre beurlauben lassen, um sich ganz dem Verein widmen zu können. Als Netzwerker, Koordinator, Fundraiser und, vor allem, als höchst authentisches Vorbild.
Raphael Karrasch, Joblinge gAG Ruhr
Sonderpreis: Mit Berufspraxis und Mentoring in eine selbstbestimmte Zukunft
Raphael Karrasch, 47, weiß aus eigenem Erleben, wie es sich anfühlt, wenn die schulische Laufbahn holprig verläuft und der Start ins Berufsleben voller Hürden ist. Heute ist Karrasch Regionalleiter der JOBLINGE gAG Ruhr, einer Initiative, die junge Menschen mit schwierigen Startbedingungen in Ausbildung und Beruf begleitet. Die bundesweit tätige Initiative arbeitet an allen Standorten mit einheitlichen Prozessen und Standards und setzt dieses Konzept in Form eines Social-Franchise-Systems um. Karrasch hat JOBLINGE im Ruhrgebiet aufgebaut. In Essen ging es vor fünf Jahren los. Schon bald kamen Standorte in Gelsenkirchen und im Kreis Recklinghausen hinzu. Weitere sollen folgen. JOBLINGE zeichnen sich durch eine einzigartige, sehr wirksame Vernetzung von Unternehmen, Jobcentern-/ Arbeitsagenturen und motivierten Ehrenamtler:innen mit den hauptamtlichen Teams aus. Wer mitmachen möchte, muss sich bei einer ehrenamtlichen Aktion bewähren und erhält dann eine/-n MentorIn zur Seite. Die/Der unterstützt das JOBLINGE-Team und hilft, einen realistischen Plan für die berufliche Zukunft seines Mentee zu entwickeln. Parallel stellt die Initiative den Teilnehmer:innen regelmäßig Berufe vor und motiviert Unternehmen, bei Bewerber:innen nicht nur auf die Noten zu schauen. „Talent steht nicht auf dem Zeugnis“, sagt Karrasch. Das Ergebnis: Sieben von zehn JOBLINGEN beginnen eine Ausbildung.