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TalentAward Ruhr

TalentAward Ruhr: Preisträger:innen 2018

Dorothee Streier-Laufs, Berufskolleg Stadtmitte, Mülheim an der Ruhr

Für Demenz sensibilisieren – für Menschen begeistern

Als Lehrerin am Berufskolleg Stadtmitte in Mülheim an der Ruhr engagiert sich Dorothee Streier-Laufs, 58, seit vier Jahren mit Oberstufenschüler:innen des Bildungsgangs „Gesundheit und Soziales“ für Demenzkranke. Den Anstoß hatte ein Schüler gegeben, der in der eigenen Familie Erfahrungen mit der Erkrankung gemacht hat. Dorothee Streier-Laufs fand mit der Pflegeeinrichtung „Haus Ruhrgarten“, der Kranken- und Altenpflege GmbH „Die Pflegepartner“ und der Alzheimer Gesellschaft Mülheim drei Partner, die sie dabei unterstützten, aus der Idee ein nachhaltiges Projekt („Engagiert für Demenzkranke“) zu entwickeln. Einmal in der Woche besuchen die Schüler:innen des Berufskollegs die Pflegeeinrichtungen. Sie singen, spielen oder backen mit den Bewohner:innen. Auch haben sie ein Spiel mit Fotomotiven aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren entwickelt, das die Gedächtnisleistung der häufig Hochbetagten trainiert und hilft, miteinander ins Gespräch zu kommen. Dieses Engagement fördert die Sozialkompetenz der Jugendlichen und ist beispielhaft für eine praxisnahe Berufsorientierung. Mehrere Schüler:innen haben durch das Projekt ein neues, sehr persönliches Bild von der Altenpflege gewonnen und sich für einen Beruf in diesem Bereich entschieden.

Nicolas Martin, needforfeed e.V. Bochum

Potenziale erkennen – Talente ganzheitlich fördern

Nicolas Martin, 33, und einige seiner Freund:innen wollten „etwas tun, statt immer nur zu reden“ und gründeten 2011 einen Verein zur Verbesserung der Lebenssituation sozial benachteiligter Kinder. Dessen zentrales Förderprojekt heißt POTTpuri: eine Anlaufstelle für Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren im Bochumer Stadtteil Hamme. Hier erhalten sie an bis zu zwei Tagen in der Woche nicht nur ein warmes Mittagessen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen von POTTpuri helfen auch bei den Hausaufgaben und machen den Schüler:innen durch vielerlei Angebote (Kochen, Tanzen, Musik) bewusst, dass sie Talente besitzen. Zudem sind sie Anlaufstelle für alle, die jemandem ihr Herz ausschütten möchten, weil vielleicht die Dinge zu Hause aus dem Ruder laufen. Die größte Herausforderung für Nicolas Martin und seine Mitstreiter:innen ist es, Ehrenamtliche zu finden, die Verantwortung übernehmen und sich einbringen. Der Bedarf für die Betreuung von Schulkindern in Hamme ist groß. Der Stadtteil besitzt laut Sozialbericht ein hohes Armutspotential. Außerdem wird nur knapp ein Drittel der Schulkinder in Form einer Übermittagsbetreuung versorgt.

Julia Gajewski, Gesamtschule Bockmühle, Essen

Bildungsaufstiege ermöglichen – durchgängige Talentförderung

Wenn Journalist:innen deutlich machen wollen, unter welch schwierigen Bedingungen Lehrer:innen bisweilen arbeiten, besuchen sie gerne mal den Arbeitsplatz von Julia Gajewski, 54. Sie ist Leiterin der Städtischen Gesamtschule Bockmühle im Essener Stadtteil Altendorf. Eine Brennpunktschule: 1.500 Schüler:innen, überwiegend aus sozial schwachen Haushalten. Die Eltern sind an der Bildungskarriere ihrer Kinder häufig wenig interessiert. Trotz dieser schwierigen Bedingungen betreibt das Kollegium der Gesamtschule eine durchgehende Talentförderung. „Leben und Arbeiten an der Teamschule“ heißt das Konzept, mit dem Julia Gajewski und ihre Kolleg:innen es jungen Menschen ermöglichen wollen, ihre Fähigkeiten zu erkennen und zu nutzen. Es folgt einer ganzheitlichen Idee: Schüler:innen sollen sich mit allen Fragen, Sorgen und Belangen an die Lehrkräfte wenden können. Sie werden individuell betreut und gefördert. Wie gut das gelingt, zeigt sich vor allem am Ende der Schulzeit: Viele Ehemalige halten weiter den Kontakt zu ihrer früheren Schule und den Lehrer:innen dort.

Melanie Stroisch, VKJ e.V. Essen

Natur erleben – Naturwissenschaften verstehen

Melanie Stroisch, 46, hat einen Beruf gelernt, der sich schwer mit der Rolle einer Mutter von drei Kindern verbinden lässt: Sie ist Floristin. „Da gibt es nur wenige Teilzeitstellen.“ Beim Spazierengehen in der Nachbarschaft kam sie auf die Idee, wie sich ihr grüner Daumen und ihr Faible für Kinder verknüpfen lassen: durch die Anlage eines Gartens im Kinderhaus. Also eines Ortes, an dem die Kleinen spielerisch den Umgang mit der Natur erlernen können. Sie entwickelte ein Konzept – zunächst nur für das Familienzentrum Kinderhaus Wirbelwind des VKJ, Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet e.V. in Essen-Überruhr. Das Pilotprojekt wurde schnell auf 24 Kindertagesstätten des VKJ ausgerollt. Heute werden in jedem Jahr mehr als 400 Kinder zu Erlebnisgärtner:innen. Sie lernen viel über Natur- und Umweltschutz und stellen manchmal überrascht fest, dass Obst und Gemüse nicht eingeschweißt im Kühlregal eines Supermarkts wachsen. Betreut werden sie von 15 ehrenamtlichen, von Melanie Stroisch angelernten Hobbygärtner:innen. Oft handelt es sich dabei um Menschen, die keine berufliche Perspektive mehr haben und die in den VKJ-Erlebnisgärten neuen Mut fassen und nicht gekannte Talente entdecken.

Matthias Berchner, Thomas Hofeditz, Martin Lück, Ausbilderteam der Westnetz GmbH

Sonderpreis: Frühzeitig orientieren – Ausbildung nachhaltig gestalten

Thomas Hofeditz, 50, ist Ausbilder bei der Westnetz GmbH in Essen. Aber er will nicht der klassische Meister alter Schule sein. Er sieht sich als Trainer, der mit Jugendlichen, die bei ihm und seinen Kollegen Matthias Berchner, 35, und Martin Lück, 31, eine gewerblich-technische Ausbildung absolvieren, auf Augenhöhe kommuniziert und ihnen hilft, einen Platz im Leben zu finden. Auch wenn die Startbedingungen manchmal nicht optimal sind. „Jeder hat Talente. Es liegt an uns Ausbildern, diese Fähigkeiten zu wecken und zu fördern“, betont er. Auf Kuschelkurs fahren Hofeditz und seine Kollegen dabei nicht: Wenn jemand nicht mitzieht, wird Klartext gesprochen. Jede/-r soll sich im Rahmen seiner Möglichkeiten einbringen. Wichtig ist den Talentförderern, dass ihre Schützlinge auch soziale Kompetenzen entwickeln. Das fördern sie durch soziale Projekte, etwa in Kindergärten, bei denen die Auszubildenden mitmachen. Freiwillig, wie Hofeditz betont. „Sonst bringt das nichts.“ Seit 1998 haben fast 400 junge Menschen die Ausbildung durchlaufen. Die Abbrecherquote beträgt weniger als fünf Prozent. Zu vielen der Ehemaligen haben die Ausbilder immer noch Kontakt.

Veranstalter

Das Leitprojekt Bildung