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TalentAward Ruhr

TalentAward Ruhr: Preisträger:innen 2023

Bei der Preisverleihung 2023 wurden vier Preisträger:innen vor rund 500 Gästen im thyssenkrupp-Quartier in Essen ausgezeichnet – parallel wurde die Veranstaltung im Live-Stream übertragen.

>>Über diesen Link können Sie sich die Aufzeichnung der Preisverleihung des TalentAward Ruhr 2023 ansehen.<<

Jamil Alyou, Train of Hope

Chancen sehen, Brücken bauen, Zukunft ermöglichen

Jamil Alyou hat erlebt, wie es ist, wenn man seine Meinung nicht mehr sagen darf. Aus Angst vor Repressalien floh er deshalb aus Syrien. 2015 kam er nach Deutschland. Nach Dortmund. Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Unterstützung fand er damals beim Flüchtlingshilfeverein „Train of Hope“ (ToH). Mittlerweile ist Alyou selbst zum För-derer geworden.

Weil er genau das zurückgeben möchte, was er nach seiner Ankunft in Dortmund durch ToH erlebt hat. „Das war eine Unterstützung von Menschen, die an mich geglaubt und mich gefördert haben, ohne irgendwelche Erwartungen zu haben“, sagt Alyou. ToH unterstütze ihn beim Deutsch lernen, Netzwerken und auch dabei, ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung zu bekommen. Voraussichtlich im Sommer 2024 beendet er sein duales Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Dortmund.

Heute ist er 29 Jahre alt und aus seiner ehrenamtlichen Arbeit für ToH ist eine hauptamtliche geworden. Politische Bildung und Demokratieverständnis bei Kindern und Jugendlichen sind seine Schwerpunkte. „Wir nehmen Demokratie oft als selbstverständlich“, sagt er. „Aber alles, was wir als unser Recht ansehen, kann so schnell verlorengehen.“ Und deshalb erzählt er Jugendlichen auch immer wieder von seinen Erfahrungen in Syrien und von der Flucht. Das tut er in Gesprächskreisen, auf Veranstaltungen, in Schulen. Jamil Alyou begleitet und berät Jugendliche und empfiehlt sie weiter für andere Förderprogramme. Er möchte bei ToH die Begabungen und Stärken junger Menschen fördern. „Meine Jugendlichen“ nennt er sie liebevoll und möchte sie auch in Zukunft dabei unterstützen, sich zu entfalten.

Ilona Kochems, Knappschaftskrankenhaus Bottrop

Verantwortung übertragen, Azubis wertschätzen, Pflege neu denken

Die Idee zur Apprentice Unit kam Ilona Kochems unter der Dusche: ein Ausbildungskonzept für das Knappschaftskrankenhaus Bottrop. Damit wollte die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin dazu beitragen, dass die Auszubildenden ganz genau wissen, was sie auf Station erwartet. Die Apprentice Unit hat einen klaren Aufbau: Auf Station gibt es vier feste Patient:innen-Zimmer, die von geschulten Praxisanleiter:innen betreut werden. Die Auszubildenden können auf diese Weise in einer fest definierten und überschaubaren Umgebung lernen.
Über Monate hatte Ilona Kochems recherchiert: In ihrem Konzept führt sie wissenschaftlich belegte Strategien zusammen. Es geht darum, die Schüler:innen individuell zu sehen und mit verschiedenen Lernmethoden darauf zu reagieren. „Wir werden Stärken der Schüler:innen viel schneller sehen und Juwelen viel schneller finden“, so die 39-Jährige. Genauso ermöglicht es die Apprentice Unit aber auch effizient, Lernrückstände einzelner Schüler:innen zu erkennen und frühzeitig zu reagieren.

Nach dem Start der Apprentice Unit auf der Neurologie im November 2022, folgten bis heute weitere Stationen: die Innere/Onkologie, Geriatrie, Nephrologie/Nierenkrankheiten und die Komfortstation – eine interdisziplinäre Station. Zum Konzept gehört auch, dass die älteren Azubis die jüngeren anleiten dürfen – mit der/dem Praxisanleiter:in im Hintergrund. Eine intensive Vorbereitung auf das, was nach der Abschlussprüfung kommt. Kochems: „Wenn sie nachher examiniert sind, werden sie von jetzt auf gleich unter Umständen ihren eigenen Bereich leiten. Das heißt, sie müssen standhaft sein vorm Patienten, vor Angehörigen, sie müssen argumentieren können.“

Die Rückmeldungen des Nachwuchses bestärken Ilona Kochems in ihrer Arbeit: „Das größte Kompliment kommt von Auszubildenden, die jetzt im dritten Ausbildungsjahr sind, die sagen: Wir hätten uns von Anfang an gewünscht, dass es so was gibt.“

Hanim Gül, Jugendbühne „bahtalo“

Kultur erlebbar machen, junge Persönlichkeiten stärken

„Kultur funktioniert auf allen Ebenen“, davon ist Hanim Gül überzeugt. Man müsse nicht unbedingt die Sprache können, um ein Lied zu singen oder um Noten auf einem Instrument zu spielen. Und deshalb brennt die 48-Jährige auch so für die Idee, Kindern und Jugendlichen mit der internationalen Jugendbühne „bahtalo“ gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Hier können ALLE Kinder – egal, welcher Herkunft – Theater spielen, tanzen, singen oder ein Instrument lernen.

Gegründet wurde „bahtalo“ im Sommer 2013 in Duisburg-Rheinhausen. Damals gab es Konflikte und Spannungen rund um das sogenannte „Problemhaus“ im Stadtteil. Besonders die Roma-Kinder litten unter der Situation. Und deshalb unterstützte Hanim Gül von Beginn an die Musikerin Annegret Keller-Steegmann bei der Idee, die Kinder da herauszuholen. Und zwar mit Kultur!
Mit 20 Kindern starteten in den Sommerferien 2013 die ersten Angebote: Singen und Percussion spielen. Seitdem wurde „bahtalo“ – was in der Sprache der Roma Hoffnung und Freude heißt – immer größer und immer professioneller. Heute machen an die 200 Kinder mit – u. a. deutsche, syrische, afrikanische, marokkanische. Hanim Gül übernahm von Anfang an die organisatorische Leitung – ehrenamtlich. Das bedeutet: Für Essen, Getränke, Räumlichkeiten sorgen, Listen führen, den Überblick behalten, die verschiedenen Agierenden motivieren und zusammenführen.
„Wir geben wirklich jedem Kind die Möglichkeit, sich selbst zu entfalten“, sagt die 48-Jährige, und sie hat es sich auch zur Aufgabe gemacht, Talente und Stärken zu erkennen, die die Kinder vielleicht selbst noch gar nicht sehen. So wird aus einem stillen Mäuschen schon einmal ein Kind, das am liebsten jede Hauptrolle übernimmt.

Einige Teilnehmende, die mit „bahtalo“ groß geworden sind, möchten sich im Anschluss selbst engagieren. „Ich wünsche mir, dass die Kids, die jetzt ihren Jugendleiterschein gemacht haben, die Arbeit von uns fortsetzen“, sagt Hanim Gül.

Kristina Gusseva & Kim Pöckler, Signal of Solidarity e.V.

Neustart ermöglichen, digitale Bildung vermitteln

„Es ist einfach nur schrecklich, was sie erleben mussten“, sagt Kristina Gusseva und meint die ukrainischen Kinder, die mit ihren Familien vor den russischen Angriffen nach Deutschland geflohen sind. Mit dem Verein „Signal of Solidarity e.V.“ initiierte Kristina Gusseva deshalb im vergangenen Jahr einen Treff für ukrainische Kinder. Es geht darum, dass sie eine schöne Zeit haben, gemeinsam etwas unternehmen und gefördert werden: „Ich finde es ganz wichtig, jedem Kind aufzuzeigen, dass es Stärken hat.“

Kristina Gusseva ist 30 Jahre alt und lebt in Witten. Mit zwölf Jahren kam sie mit ihrer Familie aus Kasachstan nach Deutschland. „Ich weiß, wie schwierig es sein kann, wenn man das Land gar nicht kennt“, daran erinnert sie sich noch genau. „Ich habe mich einsam gefühlt, völlig allein.“ Erst als sie mit ihrer Schwester ein Projekt fand, änderte sich das. Genau diese Erfahrungen möchte sie jetzt weitergeben und so gründete Gusseva mit „Signal of Solidarity e.V.“ im Juni 2022 eine Gruppe für ukrainische Kinder: „signal of youth“. Unter dem Dach des Vereins hatte sie gemeinsam mit Kim Pöckler bereits mitgeholfen, ein anderes Jugendprojekt und AGs aufzubauen. Diese Erfahrungen haben sie darin bestärkt, nicht lange zu überlegen, sondern direkt aktiv zu werden.

Ihre Ziele: Die Förderung von Digitalkompetenz und Geschlechtergerechtigkeit. Über entsprechende Förderungen konnte sie zu Beginn für die Gruppe Laptops anschaffen. Das erste Digitalprojekt ist bereits abgeschlossen. Mit einer speziellen Software haben elf Kinder im Alter von neun bis 14 Jahren ein Buch gestaltet: vom Notiz- über ein Kochbuch bis hin zum Roman.
Die Kinder erkennen ihre eigenen Stärken – und die fördert Kristina Gusseva ganz individuell. Gleichzeitig hat sie auch immer ein Auge darauf, dass die Jungen und Mädchen die gleichen Möglichkeiten haben. Sie möchte mit alten Rollenbildern aufräumen. Digitales ist kein „Jungskram“. So sein, wie man ist, ohne Angst vor Reaktionen haben zu müssen: Darum geht es Gusseva.

Veranstalter

Das Leitprojekt Bildung